Montag, 23. November 2015

 Der Fänger im Roggen

von Jerome D. Salinger





Hey Freaks*,


dieses Mal stelle ich euch ein Kultbuch der Weltliteratur vor. 

Dass dieser Roman einen solchen Stellenwert innerhalb der Literaturwelt einnimmt, verdankt er  nicht nur den Lobpreisungen namhafter Schriftsteller wie William Faulkner, Heinrich Böll oder Hermann Hesse, sondern traurigerweise auch Mark David Chapman, welcher am 8. Dezember 1980 John Lennon erschoss und eben dieses Buch bei sich trug, da er sich mit dem Protagonisten identifizierte und es als Aufforderung gelesen hatte, eine Berühmtheit zu ermorden, um selbst berühmt zu werden.

Da ich ein großer Fan von den Beatles bin, komme ich nicht umhin, euch an dieser Stelle zu bitten:
Wenn ihr das Buch lest, bittet tötet John Lennon nicht (auch nicht in Gedanken!).

Nachdem ich euch dieses Versprechen abgenommen habe, könnt ihr jetzt schnurstracks weiterlesen.


Inhalt:


Im Roman begleitet man Holden Caulfield, einen idealistischen, aber ziellosen Jugendlichen, der soeben von einer weiteren Schule aufgrund seiner miserablen Leistungen suspendiert worden ist. Der Verlogenheit seiner Schulkameraden und des Schulpersonals überdrüssig, flüchtet er nach New York, seiner Heimatstadt.

Er irrt drei Tage lang auf den Straßen New Yorks umher, ohne je wirklich irgendwo anzukommen. Nach Hause, zu seinen Eltern und seiner Schwester, kann er aufgrund seiner Angst wegen des Schulverweises nicht. Stattdessen meldet er sich bei allen möglichen flüchtigen und weniger flüchtigen Bekanntschaften um der Einsamkeit, die ihn umgibt, zu entfliehen.

Charaktere:


Holden Caulfield ist ein äußerst ambivalenter Charakter. Er trägt unfassbar viel Wut in sich: Wut auf die Gesellschaft, genauer gesagt, auf die Verlogenheit und Selbstdarstellungen der Menschen. 
Er vertritt hohe Ideale, denen er aber selbst nicht gerecht wird, denn er belügt jeden, den er trifft. 
Mal, um die Menschen vor etwas zu bewahren, mal, um sich selbst zu schützen. 

Des Weiteren beweist er immer wieder eine außerordentliche Beobachtungsgabe. Er nimmt Dinge wahr, Kleinigkeiten, die andere Menschen nicht wahrnehmen, übersieht aber dann widerum, vor allem in Gesprächen, eindeutige Signale, die ihn bedeuten, an jenem Punkt nicht weiter zu gehen oder aber eine andere Strategie zu verfolgen.

Meine Meinung:


Um euch ein Gefühl für den Schreibstil zu vermitteln und, weil das ein verdammt guter Anfang für ein Buch ist, hier der Einstieg:

"Wenn ihr das wirklich hören wollt, dann wollt ihr wahrscheinlich als Erstes wissen, wo ich geboren bin und wie meine miese Kindheit war und was meine Eltern getan haben und so, bevor sie mich kriegten, und den ganzen David-Copperfield-Mist, aber eigentlich ist mir gar nicht danach, wenn ihr´s genau wissen wollt. Erstens langweilt mich der Kram, und zweitens hätten meine Eltern dann jeweils ungefähr zwei Blutstürze, wenn ich was ziemlich Persönliches über sie erzählen würde. [...] Außerdem erzähl ich euch auch nicht meine ganze verfluchte Autobiographie oder so was. Ich erzähl euch bloß von diesem Irrsinnskram, der mir so um letztes Weihnachten passiert ist, bevor es mit mir ziemlich bergab ging und ich hierher kam und es ruhiger angehen lassen musste."

Großartig, nicht wahr? Da kommt doch tatsächlich der Protagonist des Buches und erklärt uns Lesern, in einen äußerst flappsigen Ton, dass er derjenige ist, der sagt wo es langgeht und man keinerlei Einfluss darauf hat. Das fand ich wirklich überraschend und erheiternd. Zum einen wird der Leser durch die direkte Anrede somit in das Geschehen miteinbezogen, zum anderen wird ihm die Handlungsgewalt, die ihm zuvor suggeriert wurde, dann ohne Abschweife sofort wieder abgesprochen. Ich fühlte mich beim Lesen derart überfahren, dass ich gar nicht protestieren und schon gar nicht das Buch aus der Hand legen konnte.

Caulfield ist ein besserwisserischer Schwätzer und er schwätzt in einem derartigen Tempo, dass man sich als Leser etwas zu gehetzt fühlt. Auch die ständigen Wiederholungen und zahlreichen Abschweifungen des Protagonisten, die ihn einerseits authentisch erscheinen lassen, haben mich andererseits beim Lesen irgendwann wirklich gestört.

Allerdings kann die Figur des Holden Caulfield als eine vielseitige Projektionsfläche für die Probleme mehrerer Generationen angesehen werden: von der Ziellosigkeit zur Selbstfindung bis hin zur Kritik an der Scheinheiligkeit der Gesellschaft. Wirklich beeindruckend, eine solche Vielfalt mit nur einer Figur umzusetzen.

Dieser Roman wird nie an Aktualität einbüßen und es gibt derart viele Blickwinkel, unter denen man dieses Buch lesen kann, dass diese Rezension dem Buch nie im Leben gerecht wird.

Daher gebe ich dem Buch 4 von 5 Sternen

Lieblingszitate:


„Ich bin ziemlich ungebildet, aber ich lese viel.“

„Was mich richtig umhaut, sind Bücher, bei denen man sich wünscht, wenn man es ganz ausgelesen hat, der  Autor, der es geschrieben hat, wäre irrsinnig mit einem befreundet und man könnte ihn jederzeit, wenn man Lust hat, anrufen. Das kommt aber nicht oft vor.“

„Der unreife Mensch kennzeichnet sich dadurch aus, dass er edel für eine Sache sterben will, der reife dadurch, dass er bescheiden für eine leben will.“

„Ich glaube, irgendwann musst du herausfinden müssen, wo du hin willst. Und dann musst du auch da hingehen. Aber sofort. Du kannst es dir nicht leisten, auch nur einen Augenblick zu verlieren. Du nicht.“

„Unter anderem wirst du erkennen, dass du nicht der Erste bist, der vom menschlichen Verhalten verwirrt und verängstigt und sogar angewidert ist. Damit stehst du keineswegs allein, wie du zu deiner Begeisterung und Anregung erfahren wirst. Viele, viele Menschen waren moralisch und geistig ebenso umgetrieben, wie du es jetzt bist.“

„Irgendwie ist das aussichtslos. Selbst wenn man Millionen Jahre dafür hätte, könnte man nicht mal die Hälfte aller „Fuck You’s“ auf dieser Welt wegwischen. Es ist unmöglich.“


-Melanie 

*Anrede in Anlehnung an die wundervolle Band Tocotronic

Bildquelle: http://www.rowohlt.de/taschenbuch/j-d-salinger-der-faenger-im-roggen.html






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